»Für die bundesrepublikanische Nachkriegsgeschichte war Rostock-Lichtenhagen ein so noch nicht dagewesenes Ereignis, ein Fanal der unheimlichen Wiederkehr des Gestrigen. [...] Für die Opfergruppe waren die Angriffe dagegen eine vielerorts erlebte, in jeder Hinsicht grenzüberschreitende Realität.«
1992 werden in Rostock die massivsten rassistisch motivierten Angriffe in Nachkriegsdeutschland verübt. Unter dem Beifall tausender Anwohner wird eine Wohnunterkunft mit über einhundert Menschen angezündet. Das viertägige Pogrom wird live im Fernsehen übertragen. Die Feuerwehr wird nicht zum Brandort vorgelassen und die Polizei zieht sich zurück. Die Tötungsabsicht ist offenkundig, das Ausland entsetzt. Und nur wenige Jahre später hält Martin Walser in der Paulskirche eine vielbeachtete Rede, in der er die Rostocker Ereignisse unwidersprochen leugnen kann. Der jüdische Zentralratsvorsitzende Ignatz Bubis wird daraufhin Walsers Apologie des Wegsehens als ›geistige Brandstiftung‹ bezeichnen.
Matthias N. Lorenz zeigt uns, was es zu bedenken gibt, wenn man wirklich hinsieht. Welche Verbindungslinien es zwischen ›geistiger Brandstiftung‹ und manifester Gewalt zu entdecken gibt, wenn man mehr zu sehen versucht als nur den hitlergrüßenden Alkoholiker; wenn man von den Massen auf der Straße, über den tief getroffenen Ignatz Bubis und politisch engagierte Gegenaktionen, hin zu den Menschen blickt, die unmittelbar von den Verbrechen rassistischer Gewalt betroffen sind.
Die ebenso einfühlsamen wie diskurshistorisch fundierten Bildlektüren von Matthias N. Lorenz führen uns vor Augen, dass es gerade angesichts des Verstörenden und Beängstigenden lohnt, genau hinzuschauen. Sein Essay zeichnet nach, wie im Laufe der Jahre eine Entstörung der Ereignisse von 1992 stattfindet – und um welchen Preis. Dabei zeigt er, wie wichtig es ist, das diesbezügliche Reden und Schweigen als erinnerungspolitische Akte zu untersuchen, die bis heute nachwirken.
ISBN: 978-3-98761-008-0
Autor: Matthias N. Lorenz
Titel: Nachbilder. Mit einem Vorwort von Clemens Meyer
Format: 165 mm × 105 mm, 202 Seiten
Veröffentlicht: Mai 2025
»Dieses Buch macht, was ich mir im besten Fall von Geschichtsschreibung wünsche: Es zeichnet das rassistische Pogrom von 1992 nach, aber auch, was danach passiert ist. Wie die Presse, die Politik und die Öffentlichkeit damit umgegangen sind.«
— Mithu Sanyal, Die Literaturagenten (RBB)
»Anders als die bisherigen Bände der Reihe, in der dieses Buch erscheint, konzentriert es sich weniger auf das Bild als Akteur oder auf den Schauplatz, der von ihm eröffnet wird, sondern auf das Bild als Zeugen. Statt um die Gewalt, zu der Bilder aufrufen können, geht es um erinnerungspolitische Erzählungen und
Praktiken.«
— Ulrich van Loyen (FAZ)
»Matthias Lorenz ist ein äußerst abwechslungsreicher, angesichts des schmalen Umfangs überraschend detailreicher und immer anregend zu lesender Band gelungen, der bekannte Bilder des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen gekonnt dekonstruiert und neue Motive einführt.«
— Johann Henningsen (visual history)